Geschichte

Geschichte unserer Dörfer
Von der Steinzeit bis zur Neuzeit

Zugereiste, Reingeschmeckte, Einheimische. Die ganz frühe Zeit.
(Paläolithikum, Mesolithikum, Neolithikum)

Beginnen wir unsere Geschichte eher unwirtlich: in der letzen Eiszeit. Genauer, der Zeit der größten Kälte und der dicksten Eispanzer vor ca. 22 Tausend Jahren. Grönlandeis bis Berlin, Pack- und Treibeis vor der spanischen Küste, der Meeresspiegel liegt 125m tiefer als heute. Die Alpengletscher reichen bis weit in das Alpenvorland, Gletscher auch im Schwarzwald und in den Vogesen. Am südlichen Oberrhein herrscht Dauerfrost und extreme Trockenheit. Mächtige Kieslagen werden aufgeschoben; vom Kies "umspült" kahle Kalkkliffe im Rhein- und Engetal. Der Wind nimmt feinstes Gesteinsmehl auf und lagert es auf den Kuppen meterdick wieder ab (später einmal wird man es Löss nennen, und dann wird es fruchtbarster Ackerboden sein). Menschen können hier nicht leben.

Verkehrswege! Am Rheinknie schneiden sich die wichtigsten Nord-Süd und Ost-West-Routen durch Europa, hier verknüpfen sich die Flusssysteme von Rhein und Rhône, Donau und Saône. Immer wieder kommen Menschengruppen flussaufwärts aus dem Süden - seit ca. 1,8 Millionen Jahren.

Noch während der Eiszeit trauen sich einzelne wagemutige Jägertrupps nach Mitteleuropa, aber erst vor ca. 18.000 Jahren kommt es zu einer wirklichen Neubesiedlung: Jägergruppen des Magdalénien durchstreifen die schier endlose Steppe, überreich bestückt mit potentieller Jagdbeute. Bei Jahresmitteltemperaturen von minus 1 °C und einem Mittel von 8 °C im wärmsten Monat. Es wird wieder wärmer.

Weder diese Jäger noch die ersten modernen Menschen ab ca. 40.000 v. Chr. noch die Neandertaler ab ca. 300.000 v. Chr. haben bei uns Spuren hinterlassen. Sie waren aber da - sie haben Werkzeuge aus dem Markgräfler Jaspis gefertigt, dem grauen aus Kleinkems und dem rot-gelben aus Schliengen/Liel/Hertingen, haben sie mitgenommen und woanders (kaputt) wieder fortgeworfen. In den Weltkulturerbe-Höhlen in Oberschwaben, zum Beispiel.

Vor 14.650 Jahren kam das Klima ins Trudeln: fast vier Jahrtausende gibt es nun dramatische Wetterkapriolen, sprunghaft kühlt es ab bzw. wird wieder warm. Und das oft innerhalb weniger Jahrzehnte, ja weniger Jahre ... Umwelt und nutzbare Ressourcen ändern sich rasch. Neue Überlebens-Strategien müssen her, um in den sich nun ausbreitenden Birken-Kiefer-Wäldern bestehen zu können.
 
"Spätpaläolithikum" nennen Archäologen diese Zeit (Paläo=Alt, Lithikum=Steinzeit). Es hat sich viel getan: Gletscher und  Schmelzwasser haben das Rheintal mit Kies gefüllt (bis auf das Niveau der Bahntrasse zwischen Efringen und Kleinkems) und zahlreiche Grotten aus dem Kalk ausgewaschen. Der Fluss beginnt den Kies abzutragen; in den nun folgenden Jahrtausenden wird sich das Wasser 30m in die Tiefe einschneiden und dabei Uferterrassen bilden.

Spätpaläolithische und mesolithische Jäger/Sammler/Fischer nutzen die Grotten gelegentlich als Unterschlupf, ihre Spuren blieben hier erhalten. Plusminus 20 Grotten im Kalk plus 4 Freilandfundplätze, dick mit Löss bedeckt - die Zahl der Fundstellen vom Gemeindegebiet Efringen-Kirchen ist hoch. Leider wurden fast alle Fundstellen vor langer Zeit oder gar nicht näher untersucht und leider sind so gut wie alle inzwischen zerstört.

Gleiches gilt leider auch für die einzige vor-eiszeitliche Höhle auf dem Gemeindegebiet. Diese lag im Engetal und enthielt 1927 reiches Fundmaterial; sie wurde samt drumherum befindlichem Stein komplett abgetragen. Möglicherweise hatten hier Jäger des Magdalénien ihr Lager aufgeschlagen.

Die sprunghafte Erwärmung ab 9650 v. Chr. gilt als Ende der Eiszeit, und auch als Ende der Altsteinzeit, und als Beginn der Mittelsteinzeit (des Mesolithikums). Den einheimischen JägerInnen, SammlerInnen, FischerInnen war dieser "Epochenwechsel" egal; sie waren vollauf damit beschäftigt, in den immer dichter werdenden Laubwald-Dschungeln zu überleben. Mit zunehmender Temperatur verändern sich die Wälder: erst Birke und Kiefer, ab 8000 v. Chr. Mischwald mit vielen Haselsträuchern und ab 6800 v. Chr. Eichenmischwald.

Klimaoptimum. Die Jahresdurchschnittstemperaturen lagen 2-3 °C über denen von heute. Die Einheimischen am Isteiner Klotz wissen es noch nicht: andernorts sind  Umwälzungen in vollem Gang, die die Welt verändern werden. Dramatisch und unumkehrbar. Die Landwirtschaft wird erfunden, Ackerbau und Viehzucht, Vorratshaltung und Sesshaftigkeit, auf mehreren Kontinenten quasi zur gleichen Zeit.

Erste Vorboten gegen 7000 v. Chr.: Getreide wächst in der Schweiz und am Fuß der bayrischen Alpen. Im Tal der Rhône, am Genfer See bis nach Oberschwaben und nach Norden bis an den Neckar leben Leute, die Töpfe töpfern, Haustiere halten, die aber auch Jagen und Sammeln wie die einheimischen Mesolithiker. Archäologen benennen Zeitabschnitte gerne nach einem wichtigen Fundort, und diese töpfernden jagenden Hirten sind nach der Fundstelle "La Hoguette" benannt. Die La-Hoguette-Kultur verbreitet sich rhôneaufwärts von Süd nach Nord, erreicht um 5800 v. Chr. Lyon und spätestens 5300 v. Chr. Stuttgart. Waren diese Leute Migranten? Oder Einheimische, die das Töpfern und das Aufziehen von Schaf, Ziege und Kuh erlernt haben? Wir wissen es nicht. "La-Hoguette"-Fundstellen gibt es in größerer Zahl am Rheinknie: bislang nur linksrheinisch.

Um 5500 v. Chr. erreicht die Umwälzung unsere Gegend mit voller Wucht. Das Neolithikum, die Jungsteinzeit. Im Vorderen Orient betreiben schon seit mehreren Jahrtausenden die Menschen Ackerbau und Viehzucht, Töpferei und Hausbau. Die Nachfahren dieser Leute gründen die Donau hinauf von Ost nach West auf fruchtbaren Lössböden immer neue Dörfer. Bis an die Atlantikküste. Jetzt erreichen diese Bauern ("Bandkeramik") Baden-Württemberg.
 
Was passiert nun mit den mesolithischen Einheimischen? Wir wissen es nicht. Andernorts leben Leute mit mesolithischem Einheimischemhintergrund und Nachkommen dieser Bauern noch 2000 Jahren später in direkter Nachbarschaft. Möglicherweise auch bei uns - es fehlen Funde, wir wissen es nicht.

Die Jungsteinzeit endet um 2200 v. Chr. Zeittypische Tongefäße ("Glockenbecher", "Schnurkeramik") fand man in Kirchen, Efringen und auf der Klotzen-Hochfläche, dazu zwei Gräber in Efringen.
Alles anders! Die Landwirtschaft verändert die Welt.
(Neolithikum - ca. 4000 - 2200 v. Chr.)

Die meisten der ca. 50 jungsteinzeitlichen Fundstellen auf dem Gemeindegebiet sind unscheinbar - Bruchstücke und Splitter von Feuersteingeräten, Topfscherben, massenhaft verlorene oder weggeworfene Beile aus Felsgestein.
Wichtig und anschaulich sind dagegen die Feuerstein-Abbauspuren bei Kleinkems: Bergwerksbetrieb, mindestens
4 Abbau-Niveaus, Abbau auf ca. 2 km Länge, ein kleiner Abbau-Bereich datierbar auf 4250-4050 v. Chr. ("Michelsberg"). Zwei zeitgleiche Gräber im Abbauschutt. Tausende (!) abgenutzte Geröll-Schlegel.

Topf-Ologie. Archäologische Museen belästigen ihre Besucher mit Topfscherben aller Art. Immer. Jedes. Das hat natürlich Gründe. Einerseits ähneln sich zeitgleiche Schüsseln, Schalen, Kochtöpfe, Becher etc. pp. größerer Regionen sehr. Zum anderen verändern sich das Design, die Technik, die Verzierung der Gefäße im Lauf der Zeit. Mal sprunghaft - plötzlich alles ganz anders. Mal langsam. Beides zusammen bewirkt, dass Archäologen an der Keramik, an der Töpferware ablesen können, aus welcher Zeit sie stammt. Man kann mit der Keramik die Fundstelle datieren, aus der man sie herausgeklaubt hat. Keramik verrottet im Boden nur langsam.
Holz dagegen verrottet sehr schnell, und deshalb findet man bei Ausgrabungen viel Keramik und so gut wie nie Holz. Zu den allermeisten Zeiten war aber viel viel viel mehr hölzernes in Gebrauch als getöpfertes! Okay, noch ein Grund für die Topfscherben im Museum: ganz viele Gefäße aus ganz vielen Zeiten sind (bzw. waren zur Zeit ihrer Benutzung) einfach wunderschön!

Die frühen Bauern pflanzen Einkorn, Emmer, Weizen und Gerste, Linsen und Erbsen, Lein und Mohn. Halten Schafe und Ziegen, Rinder und - seltener - Schweine. Roden Lichtungen in den Wald, schlagen Holz, nutzen Eschenlaub und Eicheln als Viehfutter. Die Bevölkerungsdichte steigt, immer neue Siedlungen werden gegründet, immer mehr Wald gerodet. Der Linden-Ulmen-Eichen-Eschen-Ahorn-Wald wird immer offener, aus dem Urwald wird Nutzwald. Eschen und Ulmen verschwinden, es beginnt der Siegeszug der Buche.

Aber nicht nur der Mensch verändert die Umwelt. Um 5100 v. Chr. kommt es zu einem massiven Klimaeinbruch mit verheerenden Hochwassern. Die Zeit um 3600 ist eine Zeit der Zerstörung, der Gewalt, des Gemetzels. Und eine Zeit der Wetteranomalien, der Kälteeinbrüche, der Überschwemmungen samt weggespülter Baum-Giganten. Zwischen 3400 und 2800 kühlt sich die Erde ab - die Schneegrenze sinkt, die Jahresmitteltemperatur fällt um 2 °C. Bis ca. 4000 v. Chr. sind die Hochgebirge weitgehend eisfrei, jetzt wachsen Gletscher. Der Golfstrom wird schwächer, die Monsun-Systeme brechen zusammen, die grüne Sahara trocknet aus ... und die Pest geht um. Yersinia Pestis, der Pestbazillus, findet zwischen 2900 und 2200 v. Chr. in Mitteleuropa seine ersten Opfer.

Krise macht erfinderisch: neu und innovativ das Wollschaf, das Pferd, das Rad, der Wagen, die Straße. Der Ochse, das Multifunktions-Kraftpaket. Und Metall.


Götter, Schätze, Handelsnetze. Und die ganz normalen Leute.
(Bronzezeit - ca. 2200 - 800 v. Chr.)

Ab 2200 v. Chr. protzt man/frau mit rotgold schimmernder Bronze. Im Alltag schneiden nach wie vor Klingen aus Feuerstein. Deshalb ist der frühbronzezeitliche Dolch aus Efringen eine Besonderheit: er war Beigabe einer Bestattung in einer Grotte im Hardberg.
Unverbrannte Tote mit Schmuck überhäuft und das ganze unter einem Grabhügel. So hätten Archäologen es gerne, und so bekommt man es zuweilen auch: in der Mittelbronzezeit z. B. Leider nicht bei uns: zwei Tongefäße aus dem Wallisgraben und zwei aufwendige Bronzebeinbergen südlich von Kleinkems (aus einem zerstörten Grab?) sind die einzigen Funde aus dieser Zeit (ca. 1600-1300 v. Chr.).
Erstmals scheint es arme und reiche (bzw. mächtige und unmächtige) Leute zu geben, und das liegt wohl am neuen Material Bronze. Bronze ist eine Legierung aus Kupfer (das es in Europa an vielen Stellen gab) und Zinn (das sehr viel seltener ist). Die Nachfrage an Kupfer und Zinn ließ ein europaweites Handelsnetz entstehen, und lokale Eliten, die den Zufluss und die Verarbeitung der Bronze kontrollierten.

Mit den Göttern stellte man sich gut - und so wurden nach zeitgenössischem Verständnis unfassbare Schätze im Wasser versenkt, in Felsklüfte geworfen, in Mooren deponiert oder auf Scheiterhaufen verbrannt.
Ein Schwert, mehrere Beile, eine Sichel und eine Nadel am Fels der Schwellen: ein ordentliches Sortiment an Bronzefunden stammt aus dem Kies bzw. dem Uferbereich des Rheines zwischen Istein und Kleinkems. Diese Dinge stammen aus der späten Bronzezeit, ca. 1300 bis 800 v. Chr. Solche Fundhäufungen gelten als Indizien für Flussübergänge, für Furten oder Fähren. Überragt von einer befestigten Höhensiedlung. Auch bei uns: trotz aller Beschädigungen der letzten Jahre ist der Wall auf dem Isteiner Klotz noch gut erkennbar. 1922 gab es eine kleine Ausgrabung auf dem Sporn innerhalb des Walles. Dabei fand sich eine "ungeheure Menge an Gefäßresten", massenhaft verkohlte Tierknochen, viel Holzkohle und eine Steinpflasterung.
 
Berge an Scherben von edlem, elegantem Serviergeschirr von dort und aus einer Müllgrube auf dem Leuselberg, zahlreiche Urnengräber auf dem Berg-/Kapfrain und zwischen 'Alter Schule' und Bahnhof Efringen, und noch ein Schwert, diesmal aus Egringen. Gräber, Siedlungen, Kiesfunde und Befestigungen gibt es in Hülle und Fülle in der gesamten Region, rechts- wie linksrheinisch: eine fruchtbare Siedlungskammer, wohlhabend und dicht besiedelt. Urnengräber in Sierentz - zeitgleich zu den Urnengräbern vom Bergrain - enthielten sogar einen besonderen Schatz: Perlen aus blauem Glas. Zum Protzen NOCH besser geeignet als Bernstein oder Gold ...

Anders als die anderen. Von Armreifen und Grabhügeln.
(Hallstattzeit, Frühlatène - ca. 800 - 400 v. Chr.)

Wieder ein Jahrhunderthochwasser, wieder wird es kälter, das Klima verschlechtert sich. Die Zeit um 800 v. Chr. ist eine Epochengrenze: die Bronzezeit endet, die Eisenzeit beginnt. Für die Archäologen sieht es nach einem bruchlosen Übergang zwischen der späten Bronzezeit ("Urnenfelderzeit") und der frühen Eisenzeit ("Hallstattzeit") aus. Für die Zeitgenossen war der Einschnitt wohl dramatisch - es scheinen hier nun ca. 200 Jahre lang viel weniger Menschen zu leben als zuvor.

Eisen. Ein Metall, das nicht wirklich besser ist als Bronze. Das aber aus lokal anstehenden Rohstoffen gefertigt werden kann! Auch in Efringen-Kirchen stehen (bzw. standen) Eisenerze an, und möglicherweise stammen einige Eisenverhüttungsspuren von Liel aus dieser frühen Zeit. Auch bei uns wurde Eisen verhüttet - Schlacken finden sich auf zahlreichen Äckern bei Blansingen, Efringen, Egringen und Mappach, einige davon mit hallstattzeitlichen, keltischen, römischen Siedlungsresten dicht dabei.

Super-Super-Reiche, bestattet unter super-großen Grabhügeln. Mit einem vierrädrigen Wagen darin. Und prächtigsten Dingen, wie Sofas oder griechischen Weinmischgefäßen. Die Grabhügel in Sichtweite zu den Residenzen dieser Leute, dicht bevölkerte Zentralorte mit Luxus-Handwerk. Ein solcher Grabhügel lag auf dem Euro-Airport, viele weitere im Breisgau, im Elsass, an der oberen Donau ... Ein riesiger Grabhügel auch auf dem Katzenberg: einer der größten in ganz Südbaden. 1924 ließ das Museum Kandern ihn ausgraben, mit damals enttäuschendem Ergebnis: kein Wagen, kein Gold, kein Fürst, keine Fürstin. "Nur" wunderschöne Keramik, und der Rest einer Fibel (so nennen Archäologen Kleidungsverschlüsse, die funktionieren wie Sicherheitsnadeln und schmücken wie Broschen und die sich erfreulicherweise dauernd modisch verändern).


Viele Gräber am südlichen Oberrhein sind anders ausgestattet als überall sonst in dieser Zeit. Oft gibt es keine Reste des/der Toten, die Beigabe von Geschirr (samt Festmahl) und die Ausstattung mit Schmuck ist speziell. Man und frau schmückte sich mit Armreifen: aus Ölschiefer, versteinertem Holz und ähnlichem Material (das tut der Rest der Welt auch) und schwere, materialreiche Reife aus Bronze in verschiedenen originellen Formen (die gibt's nur zwischen Straßburg und Basel, auf beiden Seiten des Rheins). Einen solchen Reif las man um 1870 auf einem Acker auf der Britsche auf (damals mit "B"), wohl aus einem völlig zerstörten Grab(hügel).
Um 450 v. Chr. ändert sich der Kunstgeschmack, die Verzierungsmuster und die Gestaltung von Geschirr. Die Archäologen sprechen jetzt von der "Latènezeit", griechische Schriftsteller von "keltoi", Kelten, die an der Quelle der Donau wohnen.

Ein zerstörtes Grab mit schlichten Armreifen am Fuß des Klotzen, ein Stück eines Halsreifs wohl aus Istein. Auch Siedlungsnachweise sind rar - spärliche Scherben (Hallstatt- und Frühlatènezeit) aus dem Engetal, dem Wallisgraben, von der Klotzenhochfläche und vom Maurenfeld.


Eine Grotte im Fels. Und ein Krieg mit Rom.
(Spätlatène - ca. 150 - 50 v. Chr.)

Für fast 250 Jahre fehlen uns die Funde. Dann - ab ca. 150 v. Chr., der Spätlatènezeit - boomt es. Florierende Siedlungen, frühe Städte auf zum Teil riesigen Flächen, umwallte Gutshöfe, südfranzösischer Wein und einheimische Münzen, Goldwäscherei und Kupferbergbau, Kultstätten und ein für uns grausiger Umgang mit Verstorbenen. Vielleicht eine Kultstätte, wahrscheinlicher aber ein Bestattungsplatz war die hintere Grotte der Veitskapelle: Knöchlein und Zähne von mindestens 15 Personen hatten sich in Felsspalten verfangen. Ein spektakulärer Ort!

Gleichzeitig expandiert Rom: 123 v. Chr. wird die Provence, 82 v. Chr. das Südufer des Genfer Sees römisch. Ab 80 v. Chr. bricht das keltische Wirtschaftsystem zusammen; viele Gegenden werden verlassen. Der südliche Oberrhein dagegen ist dicht besiedelt: bis ca. 60 v. Chr. rechts und links des Rheins; danach nur noch am, im und links des Rheins. Keltischer Stammes-Hick-Hack, Söldner und Glücksritter, germanische Siedler, Möchte-Gern-Auswanderer, römisches Militär - es geht rund am südlichen Oberrhein, hier steppt der Bär. Die Auswanderer lösen den Gallischen Krieg aus und werden vernichtend geschlagen. 52 v. Chr. ist ganz Frankreich römisch, die überlebenden Ex-Auswanderer sind wieder da, römisches Militär ist auf befestigten Hügeln von Breisach bis Basel stationiert und kontrolliert mit ziemlicher Sicherheit auch das rechtsrheinische Ufer. Faktisch beginnt damit bei uns die römische Zeit ("offiziell" jedoch erst 25-15 v. Chr.).


Endlich zivilisiert!? Aus Kelten werden Römer.
(römische Zeit - 1. - 2. Jh. n. Chr.)

Ein Großstadt in Augst, rundherum Paläste und Gutshöfe, prosperierende Straßendörfer, das bedeutendste Kur-Bad nördlich der Alpen, Bergbau auf Silber und Blei. Verbunden durch eine leistungsfähige Infrastruktur: Straßennetz, Flussschiffahrt, Staatspost. Brücken in Zurzach, Augst, Kleinkems. Straßenstationen bei Kembs und (vielleicht) auf der Pritsche. Gutshöfe (oder Paläste?) bei Blansingen, Egringen, Kirchen, Mappach, Welmlingen und (vielleicht) auf der Pritsche. Römisches auch aus Efringen, Huttingen, Kleinkems.
Leider wurde kaum ein Fundplatz in Efringen-Kirchen untersucht, und schon gar nicht modern: deshalb wissen wir kaum etwas über die Menschen hier. Einheimische mit raurakischen Wurzeln? Keltisch-gallisch-französische Zuzügler? Multi-Kulti-Neubürger aus allen Winkeln der römischen Welt?
Raurakisch-sequanische Vorläufer ließen sich bei einer ganzen Reihe römischer Villen nachweisen: umwallte keltische Gutshöfe bei bzw. spätlatènezeitliche Funde unter den Gutshöfen/Palästen von Heitersheim, Rixheim, Didenheim, Habsheim ... Auch auf dem "Maurenfeld" bei Blansingen fanden sich zwischen Unmengen römischer Funde auch solche aus spätkeltischer Zeit.

Freundlich-warmes Klima ohne Extreme. Große Ackerflächen, Überschussproduktion. Das 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. ist eine Blütezeit, das Markgräfler Hügelland und die Täler des Schwarzwald sind dicht besiedelt und werden intensiv bewirtschaftet. Kein oder kaum Weinanbau - der ist offiziell verboten ...
Schlimme Zeiten! Und ein Neuanfang.
(Spätantike / Völkerwanderungszeit - 3. - 5. Jh. n. Chr.)

Bürgerkriege, Plünderer, Rohstoffmangel, Inflation, Klimaeinbruch, Überschwemmungen, Bodenerosion, Brennstoffmangel, Bargeldmangel und noch mehr Krieg und Plünderer. Spätestens ab dem 3. Jh. n. Chr. ist das römische Reich, und besonders das römische Baden-Württemberg krisengeschüttelt, mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung. Wer kann, verläßt das Land. Auch die Armee - nach und nach werden alle Truppen vom Limes abgezogen. Rom verlegt die Grenze seines Reiches an den Rhein und an die Donau. Im 4. Jh. wird diese Grenze befestigt - vom Schwarzen Meer bis nach Basel entstehen dicht an dicht Wachtürme und Festungen. Ebenso im Breisgau und weiter rheinabwärts.

Kein Wachturm, kein Kastell bei uns. Dafür eine Rheinbrücke, auf der nach 394 noch eine Münze verloren ging.

Neue Leute sickern ein in Baden-Württemberg: aus dem Norden, aus dem Osten. Kleine Gruppen mit etwas Vieh, die in halb verfallene römische Scheunen einziehen. Diese Leute sind immer wieder im Zwist mit Rom, und wir erfahren ihren Namen aus einer römischen Siegesmeldung aus dem Jahr 289: Alamannen.
Die ersten Neusiedlergenerationen haben archäologisch fast keine Spuren hinterlassen. Erst ab ca. 400 n. Chr. finden wir sie: ein Bauernhof in Vörstetten, mehrere Gräber im Breisgau, mehrere Gräber in Herten, ein Grab in Inzlingen. Schmuck, geschaffen um 400 n. Chr. im Elb-Weser-Dreieck, und etwas kaputtes Geschirr auf der Pritsche.

401 zieht Heerführer Stilicho die oberrheinischen Truppen ab, 406 auch alle anderen - Italien ist in Gefahr. Spätestens ab jetzt verteidigen Alamannen die Wachtürme und Kastelle gegen Alamannen. Fünfzig Jahre später wird der Rheinlimes endgültig aufgegeben.

Die Zeit der Römer ist vorbei.

Gräber und Gemarkungen. Das Entstehen der Dörfer.
(Frühmittelalter - 7. - 9. Jh. n. Chr.)

Auf der anderen Rheinseite, linksrheinisch, bleiben Basel und das Castrum Rauracense von Gallorömern/Romanen bewohnt, es überdauern viele Verwaltungsstrukturen, die Sprache, das Christentum. Rechtsrheinisch kommt es zum Bruch. Hier siedeln ab der 2. H. des 5. Jhs. Alamannen. In Herten, in Kleinbasel und in Kleinhüningen. Ihre Toten bestatten sie auf Reihengräberfeldern.

Im 6. und frühen 7. Jh. scheint es keine Dorf-Neugründung gegeben zu haben; kein einziger Fund aus 5., 6. oder frühen 7. Jh. vom Gemeindegebiet Efringen-Kirchen. Dann scheinen plötzlich linksrheinisch neue Orte wie Pilze aus dem Boden zu sprießen, und rechtsrheinisch gibt es Funde aus dem fortgeschrittenen 7. Jh.: ein Schwert, zwei Saxe (Hiebmesser), eine Lanze aus Blansingen ("Pfarrhof", Im Gerichtstuhl); ein Sax und eine Perlenkette aus Efringen (In den Widmen); ein Sax aus Huttingen (bei der Nikolauskapelle).

Die zugehörigen Gräber (soweit man überhaupt etwas weiß) scheinen eher Einzelgräber gewesen zu sein oder zu kleinen Grabgruppen zu gehören. Um 700 werden Grabkammern aus Steinplatten errichtet, neben den schon genannten Orten finden sich nun auch Gräber in Welmlingen und Kirchen. Jeder Hof dieser Zeit scheint seinen eigenen kleinen Friedhof gehabt zu haben, und für Kirchen kann man mindestens 9 Höfe vermuten. Ein archäologischer Glücksfall fand sich in Efringen (Hutgasse): ein Frauenschuh aus Leder, mit Schuhnägeln aus Metall. Eigentlich gibt es genagelte Schuhe seit Ende der römischen Zeit nicht mehr, und es wird sie eigentlich auch erst in der Neuzeit wieder geben ...
Für Egringen, Huttingen, Mappach, Maugenhard, Istein, Kleinkems und Wintersweiler fehlen uns frühmittelalterliche Funde und Befunde. Diese Orte werden wohl nicht vor dem 8./9. Jh. entstanden sein.

Einen Hinweis auf das Alter eines Ortes kann die Namens-Endung geben: -ingen-Orte sind tendenziell älter als -heim-Orte, -heim-Orte älter als -inghoven-Orte. Aber eben nur tendenziell - noch im Mittelalter wird man einen neu gegründeten Ort XYingen nennen. Hilfreich ist da der Blick auf die Bodenkarte. Ein Bauerndorf auf gutem Boden mit großer Gemarkung ist normalerweise älter als eines auf schlechtem Boden und (zu) kleiner Gemarkung. Der jüngste Ort auf dem Gemeindegebiet war wohl Bübingen (verschliffen aus Bübinghoven), das zwischen Welmlingen und Wintersweiler lag.

Wurden die Ortschaften durch fremde Neusiedler gegründet? Oder durch Alteingesessene z.B. aus Basel, Kleinhüningen, Sierentz oder Kembs? Wir wissen es nicht. Wir wissen auch nicht, ob zu dieser Zeit die Gemarkungen und deren Grenzen schon weitgehend festgelegt waren. Was wir aber wissen: römische Ruinenfelder waren eine Ressource, von der sich möglichst viele Anrainer ein Stück sichern wollen. Ob es um Steine ging, um Metallobjekte, um Quellen oder um verwildertes Obst oder Gemüse - das wissen wir leider wieder nicht.


Tinte, Pergament, Papier. Die Dörfer schreiben Geschichte.

Dem Namen nach sollte Kleinkems der älteste Ort Efringen-Kirchens sein: Kleinkems zu Kembs, dem römischen Cambete. Archäologisch sind Blansingen und Efringen am ältesten. Historisch, durch namentliche Nennung in einer Urkunde, dagegen Egringen (758), gefolgt von Kirchen (815), Maugenhard (840) und Mappach (874). Nach der schriftlichen Überlieferung hätte Egringen die älteste Kirche (775/778), Mappach die bedeutendst ("basilica", 874). Die Kirche von Kirchen wird erst 1169 erstmals erwähnt. Dabei heißt der Ort Kirch-Heim, die Kirche als Alleinstellungsmerkmal ...

"Pflaster Hans von Maugenhard verpflichtet sich, an die Kaplanei Emerach im Kloster Klingental 30 s., einen Korb mit Birnen und 3 Hühner ab Gütern in Maugenhard zu zinsen." Urkunden. Es geht um Grundstücke und Rechte daran, um Abgaben und Zinsen, um Einkünfte und Pflichten. Diese werden verkauft, verschenkt, belehnt, verpfändet, beliehen oder zurückgekauft. Dazwischen immer wieder Verkäufe, die keine Verkäufe sind, sondern bestens getarnte Kredit- und Zinsgeschäfte ... Wir erfahren, wer wo welche Ansprüche hatte, lernen Bewohner der Ortschaften namentlich kennen (und manchmal auch Frau und Kinder), bekommen Hinweise auf Ackerfluren, Rebflächen, Waldstücke. - Natürlich erfahren wir auch von Zwist und Streit, und Obacht: nicht jede Urkunde ist echt! Vor dem Gerichtstermin noch kurz die nötigen Beweise fabriziert ...

Immer mal wieder stößt man auf Unerwartetes - so arbeitet 1347 in Blansingen ein Schneider (namens Johan Kunge, verheiratet mit Anna, Tochter des Cunrat Bebenner von Blansingen und seiner Frau Melzi). Oder die Fähre von Kleinkems, in einer Ordnung von 1384 für den Dinghof des Alban-Klosters in Kembs genannt (für die Fähre zuständig ist der Meier im Oberhof Kleinkems). Oder die Furt in Istein 1301 (die Zinsen für vom Kloster Istein verliehene Güter in Dornach, Mülhausen, Lutterbach und Morschweiler sind jeweils bis zur Furt im Rhein zu bringen, durch die man nach Istein gelangt). Oder (1458) die Herberge in Kirchen (an der Straße, gegenüber von Haus und Hof des Clewi Walch). Safrananbau in Kirchen (1538, muss man den Safran versteuern?). Ein Zauberer in Mappach (1558, nichts näheres, leider!).  Ein Kloster in Wintersweiler (1401, die von Wintersweiler dürfen in ihrem Kloster ein Jahr lang einen eigenen Priester für ihre Kirche beschäftigen, mit Erlaubnis des zuständigen Pfarrers in Mappach).
 
Grund und Boden besitzen nicht die Bauern, sondern Klöster, der Bischof, Adelige,  Kaiser/König/Herzog oder Basler Bürger. Die Klöster von Basel, im Schwarzwald und im weiteren Umkreis und natürlich St. Gallen haben Besitz und/oder Rechte in den Ortschaften von Efringen-Kirchen. Die Herren von Rötteln und Rotberg, die Markgrafen von Baden, die Habsburger, die Münch von Landskron und wie sie alle heißen: die Adelsgeschlechter in der Region, in der Stadt und im Bistum Basel ebenfalls. Klöster und Adelsfamilien versuchen, Besitz und Ansprüche zu konzentrieren und möglichst mittendrin einen Verwaltungssitz, von dem aus der Meier ein scharfes Auge auf die Bauern hat.

"Güterbesitz" in einer der Ortschaften Efringen-Kirchens: fast 1.000 Urkunden, Hefte, Bündel oder Bücher haben die Jahrhunderte überdauert. Mindestens 2.500 Signatur-Nummern in verschiedenen Archiven in Karlsruhe, Freiburg, Basel, Liestal und Porrentruy betreffen eine oder mehrere der Ortschaften. Plus ca. 1.000 Signatur-Nummern, zu denen es aus der Ferne keine Inhaltsangabe gibt. Plus der Bestände des Gemeinde-Archivs Efringen-Kirchen ... Zu manchen Orten gibt es viel - Istein mit dem kleinen Nonnenklösterlein und der Burg auf der Klotzenspitze mit ca. 400 Signaturen, Egringen mit ca. 200, Maugenhard dagegen mit nicht einmal 10. Wie viele Archivalien sich zu welcher Ortschaft erhalten haben, liegt vor allem daran: wie gut die Vertragsparteien ihr Exemplar gehütet haben. Ein Brand, ein überfluteter Keller und die historische Überlieferung eines Ortes ist verloren. Endgültig.

Die erste urkundliche Erwähnung eines Ortes ist natürlich wichtig - für das Jubiläum. Wann der Ort tatsächlich entstand, erfährt man aus diesen Daten nicht (nur, dass es ihn diesem Zeitpunkt eben schon gab). Erst spät erstmals genannt sind Wintersweiler (909), Blansingen (vor 1051), Kleinkems (1086), Efringen (vor dem 11.4.1107), Welmlingen (1113), Istein (1180) und Huttingen (nach 1248/49). Apropos Jubiläum: 2024 jährt sich der Zusammenschluss aller Ortschaften zum 50zigsten Mal (Efringen und Kirchen hat man schon 1942 zusammengemeindet).

In die Geschichtswerke des Mittelalters, die Chroniken, haben es die meisten Ortschaften nicht geschafft. Kirchen schon: ein Reichstag im Jahr 887, Schauplatz verwickelter politischer Intrigen, der Ort wochenlang gesteckt voll (und bis an die Zähne bewaffnet) mit Kaiser (Karl III.) samt Kaiserin, Hofstaat und hochadeligen Gesandten samt Begleittruppen. Und die Burg Istein: sie (bzw. ihr Herr) ist immer wieder verwickelt in Kriege zwischen der Stadt Basel, dem Basler Bischof und dem Herzog von Österreich (bzw. dessen Frau). Das Staatsarchiv Basel-Stadt verwahrt eine Besonderheit: den originalen Handwerker-Auftrag für die Schleifung der Burg Istein 1411.
Überhaupt Krieg. Wenn die Huttinger und Isteiner und die Schliengener 1443 den Bundschuh aufziehen und den Aufstand gegen den Bischof von Basel wagen (Istein und Huttingen knicken schnell ein, die Schliengener ziehen es mutig durch!). Oder 1444, Krieg und Kriegsgräuel im Elsass, und die Bauern des Oberamts Rötteln, die (eigenständig und illegal) das Übergreifen über den Rhein verhindern. Oder 1525, wenn nach dem Bauernkrieg herumdiskutiert wird, ob der Dinghof des Basler Spitals in Egringen ebenso zu strafen sei wie alle anderen. Der Dreißigjährige Krieg mit seinen örtlichen Fähnlein (vorher) und den Kriegsschäden (hinterher). Dauer-Kriegs-Zeiten seit dem 15. Jh. mit nur wenigen Verschnaufpausen, in denen die Dörfler immer wieder nach Basel fliehen. Und ihre Kirchenglocken dorthin flüchten, dort versetzen oder aber ganz verlieren. Truppendurchzüge, Einquartierungen, Kampfgetümmel bis in das frühe 19. Jh.: erlitten in allen Ortschaften und besonders eindrücklich erinnert in Welmlingen und Blansingen.

Kriege im Großen und Zank + Streit im Kleinen hinterlassen Spuren - in der Landschaft, den Orten und auf Papier. Von Ruhe und Frieden, freundlichen Leuten mit netten Nachbarn erfahren wir dagegen (leider) fast nichts ...
 
Das Gemeindegebiet ist (bzw. war) reich besprenkelt mit Burgen, Schlössern, Wehrbauten und Kapellen. Nicht zu allen gibt es schriftliche Nachrichten. Nicht zu der 1900 abgerissenen Nikolauskapelle bei Huttingen, wohl eines der ältesten Kirchlein der Regio. Nicht zur Neuenburg oberhalb der berüchtigten Felsenmühle bei Kleinkems. Die Neuenburg wird mehrfach als Landmarke genannt, ihre Reste 1955 ausgegraben und dann zerstört. Aber wem hat sie gehört? Wer hat dort gelebt? Wir wissen es nicht.
Fanatismus, Freiheit und Verkehr. Und Krieg, immer wieder Krieg.
(Neuzeit - 1500 n. Chr. - heute)

Und wieder eine Epochengrenze: die Jahre um 1500, das Ende des Mittelalters und der Beginn der Neuzeit. Religiöser Streit, Fundamentalismus und Fanatismus  ziehen plötzlich tiefe Gräben quer durch das Gemeindegebiet. Die Stadt Basel tritt zum reformierten Glauben über, der Bischof flieht, die Basler Klöster werden faktisch aufgelöst, Treuhänder übernehmen die Verwaltung der Güter. Plötzlich wird das Recht zum Einsetzen des Ortspfarrers ein Politikum und den (noch) katholischen Ortschaften des Gemeindegebiets werden immer wieder reformiert-gläubige Geistliche aufgezwungen. Auch in den Dörfern wird über Religion gestritten, und mitten drin versuchen einzelne jüdische Familien irgendwie zurechtzukommen. 1556 tritt der Markgraf (und damit alle "seine" Orte) zum reformierten Glauben über. Istein und Huttingen sind Dörfer des Basler Bischofs und bleiben katholisch; die Klotzenspitze mit (aufgelöstem) Kloster, Veitskapelle, Heiligenbildern ist Wallfahrtsort. Der Religions-Streit wird von allen Parteien aktiv gelebt - Provokationen und Übergriffe werden in den nächsten 250 Jahren an der Tagesordnung sein. Noch 1806 verbreitet das Gerücht Panik, die Markgräfler wollten in der Weihnacht alle Katholiken der Rheinorte ermorden.

Die Leute in den Ortschaften wissen es 1806 nicht, aber die Zeiten werden nur sehr langsam besser. Noch einige napoleonische Kriege, 1815 die Neuordnung Europas, 1817 bis 1818 eine verheerende Hungersnot. Die Rheinanlieger verlieren ihre Güter auf der anderen Rheinseite. Cholera und Pocken in den 1830er und noch einmal Hunger in den 1840er-Jahren; die Begradigung des Rheines und die erste Eisenbahn-Strecke Badens sind in vollem Gang. Und wieder wird es turbulent: 1847/48 sind Revolutionäre auch in den Ortschaften aktiv, die Kasse des Hüttenwerkes Kandern wird geraubt, Istein stellt eine Bürgerwehr auf, Efringen kauft Gewehre und Munition, Bahnanlagen werden sabotiert, im Schulhaus Kirchen Württembergische Truppen einquartiert. 1848 bis 1851 ist Efringen Endbahnhof der Badischen Staatsbahn (und Umladestation in Richtung Basel), und überflügelt Kirchen (welches immer der bedeutendere Ort gewesen war). Und so hat Efringen einen eigenen "großen Eisenbahn-Postraub" im Jahr 1853 (Beute: ein Geldfässchen im Wert von
5500 fl.).

Und wieder ist die Bahnstrecke strategisches Ziel: im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gerät sie unter Beschuss, hektisch wird nach einer alternativen Streckenführung weniger grenznah und weniger exponiert gesucht. Besonders gefährdet die Tunnels - für den "Endkampf" des 2. Weltkriegs werden Sprengladungen angebracht. 1949 wird tatsächlich gesprengt, allerdings nicht die Tunnels. Im Gegenteil, keinesfalls darf die Bahnlinie beschädigt werden. Es geht - wieder einmal - um den Isteiner Klotz. Befestigt - wieder einmal. Sie erinnern sich: zuerst in der späten Bronzezeit. Dann im Mittelalter. Noch einmal ab 1904, als "Bollwerk gegen das Böse" vom anderen Rheinufer (1918/19 gesprengt). Dann wieder (illegal) in den 1930er-Jahren. Diesmal nicht nur auf, sondern auch im Kalk; der Isteiner Klotz durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Gesprengt 1949.
1876 wird die von Ingenieur Tulla begonnen Rheinkorrektur abgeschlossen,  mit dramatischen Folgen für die Bewohner der Rheinorte: höhere Fließgeschwindigkeit und sinkender Grundwasserpegel verändern das Rheintal bis zur Unkenntlichkeit und stellen Lotsen, Fischer, Winzer und Obstbauern vor gewaltige Herausforderungen. 1919 taucht "die große badische Klippe" aus dem Wasser auf; der Rhein wird nach wenigen Jahren der Schiffbarkeit wieder kaum unpassierbar. Ein Umgehungskanal wird geplant, bauen wird man ihn erst nach 1950.
So eine Art Schlusswort ...

Beenden wir unsere Tour durch die Geschichte der Ortschaften von Efringen-Kirchen, wie wir sie begonnen haben: mit Verkehrswegen. Die Hauptstraße nach Frankfurt vorbei am Gasthaus Pritsche - ganze Aktenstapel schildern die Mühen der Strecke zwischen Schliengen und Feuerbach (bis zu 20 zusätzliche Vorspannpferde waren nötig). Erst in den1880er-Jahren wird das Engetal zur SN-Hauptachse, 1959/60 entsteht die Autobahn. Der Rhein mit seinen Inseln (und dem immerwährenden Kleinkrieg der Anrainer darum), Furten und Fähren, Hochwasser und Verwüstungen, und immer wieder Schiffbrüche am Fels der Isteiner Schwellen. Es war absolut kein Zufall, dass die Tulla'sche Rheinkorrektur am Isteiner Klotz ihren Abschluss fand - dem schwierigsten Abschnitt. Schwierigster Abschnitt war genau diese Stelle auch beim Bau der Eisenbahn: die Trassierung der Strecke von Kleinkems bis Efringen mit seinen Tunnelbauten war eine technische Meisterleistung. Und: sie ist - mit ihren Tunnelportalen, Brücken, Unterführungen, Bahnwärterhäusern und Bahnhöfen - ein ebenso schönes wie anschauliches wie einmaliges Denkmalensemble.

GeschichtE und GeschichteN. Auch kein Zufall: die Ähnlichkeit der Begriffe. Seien wir ehrlich: natürlich sind GeschichteN spannender und unterhaltsamer als es GeschichtE normalerweise ist. GeschichteN zu und aus den Ortschaften gibt es zuhauf zwischen den Aktendeckeln und in den Fundkästchen. GeschichteN zu finden, sie aus ihren dunklen Behausungen herauszuziehen, die nötigen Hintergrundinformationen zusammenzuklauben und alles für künftige Besucher aufzubereiten: das hält im Moment das Museum in der 'Alten Schule' auf Trab.

(Texte Dr. Maren Siegmann)

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