Für Egringen, Huttingen, Mappach, Maugenhard, Istein, Kleinkems und Wintersweiler fehlen uns frühmittelalterliche Funde und Befunde. Diese Orte werden wohl nicht vor dem 8./9. Jh. entstanden sein.
Einen Hinweis auf das Alter eines Ortes kann die Namens-Endung geben: -ingen-Orte sind tendenziell älter als -heim-Orte, -heim-Orte älter als -inghoven-Orte. Aber eben nur tendenziell - noch im Mittelalter wird man einen neu gegründeten Ort XYingen nennen. Hilfreich ist da der Blick auf die Bodenkarte. Ein Bauerndorf auf gutem Boden mit großer Gemarkung ist normalerweise älter als eines auf schlechtem Boden und (zu) kleiner Gemarkung. Der jüngste Ort auf dem Gemeindegebiet war wohl Bübingen (verschliffen aus Bübinghoven), das zwischen Welmlingen und Wintersweiler lag.
Wurden die Ortschaften durch fremde Neusiedler gegründet? Oder durch Alteingesessene z.B. aus Basel, Kleinhüningen, Sierentz oder Kembs? Wir wissen es nicht. Wir wissen auch nicht, ob zu dieser Zeit die Gemarkungen und deren Grenzen schon weitgehend festgelegt waren. Was wir aber wissen: römische Ruinenfelder waren eine Ressource, von der sich möglichst viele Anrainer ein Stück sichern wollen. Ob es um Steine ging, um Metallobjekte, um Quellen oder um verwildertes Obst oder Gemüse - das wissen wir leider wieder nicht.
Tinte, Pergament, Papier. Die Dörfer schreiben Geschichte.
Dem Namen nach sollte Kleinkems der älteste Ort Efringen-Kirchens sein: Kleinkems zu Kembs, dem römischen Cambete. Archäologisch sind Blansingen und Efringen am ältesten. Historisch, durch namentliche Nennung in einer Urkunde, dagegen Egringen (758), gefolgt von Kirchen (815), Maugenhard (840) und Mappach (874). Nach der schriftlichen Überlieferung hätte Egringen die älteste Kirche (775/778), Mappach die bedeutendst ("basilica", 874). Die Kirche von Kirchen wird erst 1169 erstmals erwähnt. Dabei heißt der Ort Kirch-Heim, die Kirche als Alleinstellungsmerkmal ...
"Pflaster Hans von Maugenhard verpflichtet sich, an die Kaplanei Emerach im Kloster Klingental 30 s., einen Korb mit Birnen und 3 Hühner ab Gütern in Maugenhard zu zinsen." Urkunden. Es geht um Grundstücke und Rechte daran, um Abgaben und Zinsen, um Einkünfte und Pflichten. Diese werden verkauft, verschenkt, belehnt, verpfändet, beliehen oder zurückgekauft. Dazwischen immer wieder Verkäufe, die keine Verkäufe sind, sondern bestens getarnte Kredit- und Zinsgeschäfte ... Wir erfahren, wer wo welche Ansprüche hatte, lernen Bewohner der Ortschaften namentlich kennen (und manchmal auch Frau und Kinder), bekommen Hinweise auf Ackerfluren, Rebflächen, Waldstücke. - Natürlich erfahren wir auch von Zwist und Streit, und Obacht: nicht jede Urkunde ist echt! Vor dem Gerichtstermin noch kurz die nötigen Beweise fabriziert ...
Immer mal wieder stößt man auf Unerwartetes - so arbeitet 1347 in Blansingen ein Schneider (namens Johan Kunge, verheiratet mit Anna, Tochter des Cunrat Bebenner von Blansingen und seiner Frau Melzi). Oder die Fähre von Kleinkems, in einer Ordnung von 1384 für den Dinghof des Alban-Klosters in Kembs genannt (für die Fähre zuständig ist der Meier im Oberhof Kleinkems). Oder die Furt in Istein 1301 (die Zinsen für vom Kloster Istein verliehene Güter in Dornach, Mülhausen, Lutterbach und Morschweiler sind jeweils bis zur Furt im Rhein zu bringen, durch die man nach Istein gelangt). Oder (1458) die Herberge in Kirchen (an der Straße, gegenüber von Haus und Hof des Clewi Walch). Safrananbau in Kirchen (1538, muss man den Safran versteuern?). Ein Zauberer in Mappach (1558, nichts näheres, leider!). Ein Kloster in Wintersweiler (1401, die von Wintersweiler dürfen in ihrem Kloster ein Jahr lang einen eigenen Priester für ihre Kirche beschäftigen, mit Erlaubnis des zuständigen Pfarrers in Mappach).
Grund und Boden besitzen nicht die Bauern, sondern Klöster, der Bischof, Adelige, Kaiser/König/Herzog oder Basler Bürger. Die Klöster von Basel, im Schwarzwald und im weiteren Umkreis und natürlich St. Gallen haben Besitz und/oder Rechte in den Ortschaften von Efringen-Kirchen. Die Herren von Rötteln und Rotberg, die Markgrafen von Baden, die Habsburger, die Münch von Landskron und wie sie alle heißen: die Adelsgeschlechter in der Region, in der Stadt und im Bistum Basel ebenfalls. Klöster und Adelsfamilien versuchen, Besitz und Ansprüche zu konzentrieren und möglichst mittendrin einen Verwaltungssitz, von dem aus der Meier ein scharfes Auge auf die Bauern hat.
"Güterbesitz" in einer der Ortschaften Efringen-Kirchens: fast 1.000 Urkunden, Hefte, Bündel oder Bücher haben die Jahrhunderte überdauert. Mindestens 2.500 Signatur-Nummern in verschiedenen Archiven in Karlsruhe, Freiburg, Basel, Liestal und Porrentruy betreffen eine oder mehrere der Ortschaften. Plus ca. 1.000 Signatur-Nummern, zu denen es aus der Ferne keine Inhaltsangabe gibt. Plus der Bestände des Gemeinde-Archivs Efringen-Kirchen ... Zu manchen Orten gibt es viel - Istein mit dem kleinen Nonnenklösterlein und der Burg auf der Klotzenspitze mit ca. 400 Signaturen, Egringen mit ca. 200, Maugenhard dagegen mit nicht einmal 10. Wie viele Archivalien sich zu welcher Ortschaft erhalten haben, liegt vor allem daran: wie gut die Vertragsparteien ihr Exemplar gehütet haben. Ein Brand, ein überfluteter Keller und die historische Überlieferung eines Ortes ist verloren. Endgültig.
Die erste urkundliche Erwähnung eines Ortes ist natürlich wichtig - für das Jubiläum. Wann der Ort tatsächlich entstand, erfährt man aus diesen Daten nicht (nur, dass es ihn diesem Zeitpunkt eben schon gab). Erst spät erstmals genannt sind Wintersweiler (909), Blansingen (vor 1051), Kleinkems (1086), Efringen (vor dem 11.4.1107), Welmlingen (1113), Istein (1180) und Huttingen (nach 1248/49). Apropos Jubiläum: 2024 jährt sich der Zusammenschluss aller Ortschaften zum 50zigsten Mal (Efringen und Kirchen hat man schon 1942 zusammengemeindet).
In die Geschichtswerke des Mittelalters, die Chroniken, haben es die meisten Ortschaften nicht geschafft. Kirchen schon: ein Reichstag im Jahr 887, Schauplatz verwickelter politischer Intrigen, der Ort wochenlang gesteckt voll (und bis an die Zähne bewaffnet) mit Kaiser (Karl III.) samt Kaiserin, Hofstaat und hochadeligen Gesandten samt Begleittruppen. Und die Burg Istein: sie (bzw. ihr Herr) ist immer wieder verwickelt in Kriege zwischen der Stadt Basel, dem Basler Bischof und dem Herzog von Österreich (bzw. dessen Frau). Das Staatsarchiv Basel-Stadt verwahrt eine Besonderheit: den originalen Handwerker-Auftrag für die Schleifung der Burg Istein 1411.